Mein Wunderbares West-Berlin
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Berlin ist heute die queere Hauptstadt Europas und Fluchtpunkt für nicht heterosexuelle Menschen aus aller Welt: offen, vielfältig und ziemlich partytauglich. Die Ursprünge dieses Freiheitsgefühls liegen ausgerechnet in der ehemaligen Mauerstadt West-Berlin. Fast alles, was wir heute als queere Berliner Institutionen kennen – vom Schwulen Museum* über die Siegessäule, das SchwuZ und den Teddy Award bis hin zu den Aids-Hilfen – wurde bereits in West-Berlin auf den Weg gebracht.
„Mein wunderbares West-Berlin” nimmt uns mit auf eine faszinierende schwule Zeitreise: in die 50er und 60er, in denen die West-Berliner zwar noch massiv unter den Einschränkungen und Verfolgungen durch § 175 zu leiden hatten, sich aber dennoch bereits eine lebendige Subkultur mit Szene-Bars und Klubs aufbauen konnten; in die 70er, jene Zeit der bahnbrechenden Emanzipationsbewegungen und gesellschaftlichen Umbrüche; und in die 80er, die geprägt waren von einer Ausdifferenzierung queerer Lebensentwürfe, aber auch den verheerenden Folgen von Aids, die Berlin so heftig trafen wie keine andere deutsche Stadt.
Mein wunderbares West-Berlin lässt prominente und weniger prominente Protagonisten zu Wort kommen: Aktivisten und Lebenskünstler, Travestie-Stars und Museumsgründer, Filmregisseure und Clubbetreiber, Modemacher und DJs. Sie erzählen von persönlichen und gesellschaftlichen Kämpfen, erinnern sich an heimliche Blicke und rauschhaften Sex, legendäre Partys und wütende Demonstrationen, leidenschaftliche Streits und ungeahnte Bündnisse. Zusammen mit zum Teil noch nie gesehenem Archivmaterial entsteht so ein faszinierendes Panorama des schwulen West-Berlins – und von dessen gesellschaftlichen Folgen für heute.
Nach „Out in Ost-Berlin” (2013, zusammen mit Andreas Strohfeldt) ist „Mein wunderbares West-Berlin” der zweite Teil von Jochen Hicks Berlin-Trilogie, deren Abschluss sich mit der Zeit nach dem Mauerfall beschäftigen wird.
Vorgeschichte
Nach dem Ende der Nazizeit und des Zweiten Weltkriegs lag Deutschland in Ruinen. Zertrümmert war auch die Gesellschaft, verschüttet das historische Gedächtnis an die liberalen Errungenschaften der Weimarer Republik, vergessen die Bemühungen des Wissenschaftlich-Humanitären Komitees Magnus Hirschfelds und anderer Organisationen zur Abschaffung des berüchtigten §175. Schon kurz nach Hitlers Machtergreifung 1933 hatten die Nazis die meisten schwulen Lokale geschlossen und 1935 das Strafrecht verschärft. Waren bis dahin allein „beischlafähnliche Handlungen” mit Gefängnis geahndet worden, galt von nun an schon die „Erregung der Sinneslust eines der beiden Männer oder eines Dritten” als Straftatbestand. Neu eingeführt hatten die Nazis zudem §175a, der bei „schwerer Unzucht” (z.B. Verführung von Minderjährungen – unter 21 – und Prostitution) Zuchthaus bis zu 10 Jahren vorsah. Der Rosa Winkel für Homosexuelle in den Konzentrationslagern war zum Symbol für Stigmatisierung und unvorstellbares Leid, für staatlich organisierten Mord und Terror gegen Schwule und Lesben geworden.
Liebe im Geheimen: die 50er & 60er Jahre im Zeichen des § 175
Der bundesdeutsche Gesetzgeber übernahm § 175 in der Fassung von 1935.1 Begründet wurde dies damit, dass die Verschärfung durch die Nazis angeblich nicht „auf nationalsozialistischer Auffassung” beruht habe. In einer Bundestagdrucksache von 1962 heißt es: „Wo die gleichgeschlechtliche Unzucht um sich gegriffen und großen Umfang angenommen hat, war die Entartung des Volkes und der Verfall seiner sittlichen Kräfte die Folge.” In dieser Rechtslage gehörten Razzien, Denunziationen und Zustellungen 2 zum Alltag vieler Homosexueller in der BRD . Mehr als 50.000 Männer wurden bis in die 60er Jahre hinein nach § 175 zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Mühen Einzelner mittels Aufklärung und Petitionen an den Bundestag, den Paragraphen zu kippen, scheiterten.
Die schwulen West-Berliner, die in den 50er und 60er Jahren ihre Jugend erlebten, wussten, dass in der Gesellschaft nicht nur Verachtung und soziale Ächtung über ihre sexuelle Orientierung herrschten, sondern ihnen auch die Verfolgung als Kriminelle drohte. Doch: „Darüber sprach man nicht”, wie Klaus Schumann berichtet, der seine Kindheit und Jugend im Schöneberger Roten Dreieck verbrachte. Hinter vorgehaltener Hand nannte man Klaus in der Gartenkolonie einen „Pupenjungen”. Was das war, wusste er nicht, aber als er es seinen Eltern erzählte, „rasteten die völlig aus”.
Derweil begann hinter Klingelschildern und Gucklöchern in fest verschlossenen Türen eine schwule Subkultur zu florieren. Berlin war neben Hannover die einzige Stadt in der Bundes republik, in der es Männern nicht verboten war, miteinander zu tanzen. Dutzende schwuler Kneipen begründeten Berlins Ruf als freizügigster Metropole in der Bundesrepublik, unter ihnen das Kleist Casino, kurz KC, in dem René Koch als Barmann arbeitete: „Fein, chic, nobel und prominent, mit Kronleuchtern – Tuntenbarock”, beschreibt er die extravagante Ausstattung des Orts. Eines der berühmtesten Lokale war das Eldorado, in dem Travestie-Künstler wie Marcel André auftraten. Dazu kamen ca. 50 Klappen (öffentliche Toiletten) und Parkanlagen als Orte sexueller Begegnungen. Diese gewisse Freiheit zog junge Schwule aus dem ganzen Land nach West-Berlin – Studenten, Wehrdienstverweigerer und Glückssucher aller Couleur.
Zeit des Aufbegehrens: die Lesben- und Schwulenbewegung der 70er Jahre
Ende der 60er Jahre: Während die USA in Vietnam Krieg führten, erstarkten in der westlichen Welt die linke Studentenbewegung und die Sehnsucht nach sexueller Befreiung. In der New Yorker Christopher Street widersetzten sich Schwule, Lesben und Transsexuelle 1969 zum ersten Mal offen den Polizeischikanen. Im gleichen Jahr wurde in der Bundesrepublik der § 175 durch die Erste Große Strafrechtsreform von 1969 entschärft. Vier Jahre später senkte eine weitere Gesetzesnovelle das Schutzalter von 21 auf 18 Jahre. Der „Spiegel” titelte daraufhin: „Homosexuelle: Befreit – aber geächtet”.
Zwei Jahre zuvor, während der Berliner Filmfestspiele 1971, spaltete Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt” (Co-Autor: Martin Dannecker) die schwule Welt. Die einen lehnten ihn vehement als diffamierend ab, andere begrüßten ihn euphorisch. „Raus aus den Toiletten, rein in die Straßen!” lautete die filmische Botschaft. Im Zuge der Aufführengen gründeten sich in vielen deutschen Städten schwule Aktionsgruppen. In Berlin machte die Homosexuelle Aktion Westberlin (HAW) den Anfang. „Man wollte die schwule Revolution” – also an der Seite der Arbeiterklasse den Kapitalismus überwinden und die Schwulen befreien –, erklärt Wolfgang Theis, der von Beginn an mit dabei war. Die HAW beteiligte sich an linken Demonstrationen, sammelte Unterschiften gegen § 175 und machte mobil gegen Berufsverbote für schwule Lehrer. Für viele wurde die HAW zur Familie. Einige gingen einen Schritt weiter und probten das Zusammenleben in schwulen Kommunen. Die wichtigsten Aktionen der hochpolitisierten Gruppe filmte der offen schwule Lehrer Wilfried Laule mit seiner Super-8-Kamera.
Die meisten HAWler waren Studenten und ihre politischen Auffassungen so bunt wie das linke Spektrum jenes Jahrzehnts. Zu Anfang schlossen sie noch ein Bündnis mit den kämpferischen Lesben. Doch bald schon sagten sich die Frauen von den Schwulen los. In dieser Zeit kommt es zum legendären Tuntenstreit, in dem es letztlich um die Frage ging, wie Schwule sein sollten: echte Kerle oder provokant tuntig? Der Maler und Aktionskünstler Salomé erinnert sich „Wir haben eine Tuntenfraktion gebildet. Man hat sich in der HAW getroffen, hat gesagt: „Am Sonntag machen wir wieder eine Aktion in der U-Bahn. Rüscht euch auf, damit wir sichtbar werden!” Doch derartiger Aktionismus war nicht ungefährlich: „Ich kann mich an einige Situationen erinnern, in denen wir wirklich aus der U-Bahn rausspringen mussten, um nicht eine aufs Maul zu bekommen.”
Aktivisten der HAW setzten Akzente, die bis heute nachwirken, wie etwa Gerhard Hoffmann, der mit Gleichgesinnten nicht nur die Zeitschrift „Die Schwuchtel” gründete, sondern mit seinem Freund Reinhard von der Marwitz auch 1977 in der Schöneberger Hauptstraße das Café Anderes Ufer eröffnete: „Wir waren das erste Homosexuellen-Lokal, das die Jalousien hochgezogen hat”, erinnert sich Hoffmann, „wo man von draußen reingucken konnte, was drinnen passiert: modern, offen für alle, mit Kunst, Veranstaltungen, Avantgarde.” David Bowie, der nur zwei Häuser weiter wohnte, war Stammgast. Im 1975 gegründeten Verlag Rosa Winkel erschienen Sachbücher und Belletristik. Egmont Fassbinder leitete den Verlag ab 1978 über 20 Jahre lang. Mit drei Freunden eröffnete Peter Hedenström den bis heute bestehenden Buchladen Prinz Eisenherz. Mitte der 80er Jahre entstand auch das Schwule Museum*, für das sich Mitgründer Wolfgang Theis noch immer engagiert. Aus der HAW ging zudem das Schwulenzentrum SchwuZ hervor, das bis heute ein beliebter Szenetreffpunkt und Veranstaltungsort ist.
Die schwule Subkultur, der Rosa von Praunheim in seinem Film 1971 einen Spiegel vorgehalten hatte, existierte in den 70er Jahren weiter. Wichtigstes Ereignis der bürgerlichen Schwulenwelt war der alljährliche Berliner Tuntenball. 1974 eröffnete die damals 26-jährige transsexuelle Travestie-Künstlerin Romy Haag in der Fuggerstraße das legendäre Chez Romy Haag. „Im alten Westen gab es keine Hierarchien, keine Klassengesellschaft. Alle mussten miteinander klarkommen”, beschreibt sie die Atmosphäre jener Jahre, die auch für ihr Lokal typisch war. Mitte der 70er entstand aus der Lederszene heraus die Knolle, das erste Lokal in Berlin mit einem Dark room. Die schwule Szene fächerte sich auf.
Neue Lebensentwürfe: die 80er Jahre
Ende der 70er Jahre kam Wolfgang Müller, Gründer der Punkband „Die Tödliche Doris”, nach Berlin und nahm am ersten CSD 1979 teil: „Westberlin sah total trashig und schrottig aus. Und dann rannten da jede Menge Alt-Nazis rum und Leute, die weder in die West- noch in die Ost- noch in sonst irgendeine Gesellschaft reinpassten.” Kreuzberg wurde – unter anderem mit dem SO36 und der Oranienbar – zum Inbegriff alternativer Lebensentwürfe und zur Wahlheimat schwuler Punks, Hausbesetzer und Avantgardekünstler. Zur gleichen Zeit avancierte in Schöneberg der Club Metropol zur wichtigsten West-Berliner Party-Location – mit weitreichenden Folgen, wie sich DJ Westbam erinnert: „Musik als Energiewelle: Das ist das, was der wirkliche Beitrag des schwulen Nachtlebens für die Techno-Revolution war.”
In einer der Plattenbausiedlungen im Norden Charlottenburgs drehten derweil Ades Zabel und Bob Schneider, damals noch Teenager, mit ihren Freund_innen einen Film, der heute als Klassiker des Trashkinos gilt: „Edith Schröder. Eine deutsche Hausfrau”. Bob Schneider beschreibt die Hauptfiguren des Films, Edith und Jutta, als „absoluten Gegenentwurf zu Kreuzberg, zu Hausbesetzungen, zu Demos und linker Szene. Sie waren eine Art Symbol für die Spießbürgerlichkeit und Enge des anderen West-Berlins.”
Der wichtigste schwule Berlinfilm aus diesen Jahren ist „Taxi zum Klo” (1980). Regisseur, Autor und Hauptdarsteller Frank Ripploh (1949–2002) war im bürgerlichen Leben Lehrer für Deutsch und Englisch. „Es war ein sehr befreiender Film, weil er zum ersten Mal das Leiden des Schwulseins wegließ und stattdessen die anarchische Freude in den Mittelpunkt stellte, bis hin zu einem selbstzerstörerischen Verhalten”, so Wieland Speck, Filmemacher und seit 25 Jahren Leiter der Panorama-Sektion der Berliner Filmfestspiele.
Zerrüttung und Suche nach Sichtbarkeit: Aids und seine Folgen
Ripplohs Film spiegelte eine neue sexuelle Freiheit zwischen Klappensex, Drogen und selbstbewusst gelebtem Alltag – eine Freiheit, die mit dem Aufkommen von H I V/Aids ab Mitte der 80er Jahre infrage gestellt wurde. „Diese ganze Sache mit Aids war für uns wie ein Hintergrundrauschen. Ich drückte das weg, wie viele das weggedrückt haben”, erklärt der Autor und Journalist Dirk Ludigs. Dann kamen die ersten Tests auf: „Und jeder Dritte war HIV-positiv.” Die Deutsche Aids-Hilfe (1983) und die Berliner Aids-Hilfe (1985) gründeten sich. Prominente Persönlichkeiten setzten sich für die Opfer der Krankheit und für mehr Aufklärung ein – auch um ein deutliches Zeichen gegen die Forderungen aus den Reihen der CSU nach Zwangstests und Internierung HIV-infizierter Menschen zu setzen.
Ende der 80er Jahre konfrontierten deutsche Aktivisten nach dem Vorbild des 1987 in den USA gegründeten Bündnisses ACT UP (Aids Coalition to Unleash Power) die Öffentlichkeit mit medienwirksamen politischen Aktionen. Eine der spektakulärsten fand während der Schlussandacht der katholischen Bischofskonferenz 1991 statt, als Berliner ACT-UP-Mitglieder gegen das Kondomverbot und die Haltung der katholischen Kirche zu Homosexualität und Aids protestierten.
Für das Ziel, die Gesellschaft wachzurütteln, engagierten sich auch viele andere Künstler der Zeit, unter ihnen der Fotograf Jürgen Baldiga (1959–1993), der sich fotografisch mit seiner eigenen Erkrankung auseinandersetzte.
Die Aids-Krise war eine Tragödie mit ungeheurer Tragweite, die aber auch zu einer größeren gesamtgesellschaftlichen Sichtbarkeit von Homosexualität führte: „Zu meiner Überraschung war Aids ein Transmissionsriemen, Homosexualität als Thema in die Gesellschaft zu tragen. Viele Eltern hatten plötzlich ihre Kinder verloren. Jeder kannte irgendwo jemand, der an Aids gestorben ist. Prominente Menschen wurden geoutet durch diese Krankheit”, erklärt Gerhard Hoffmann, der seinen Freund durch Aids verlor.
Um Öffentlichkeit ging es auch dem offen schwulen Filmenthusiasten Manfred Salzgeber (1943–1994). 1985 gründete er den Filmverleih Edition Manfred Salzgeber, um Filmen über Aids eine Plattform zu geben, installierte im Jahr darauf die Panorama-Sektion innerhalb der Berlinale und schuf zusammen mit Wieland Speck 1987 den schwul-lesbischen Filmpreis Teddy Award.
Mitten in die Aids-Krise fiel die Wiedervereinigung – und damit das Ende des soziokulturellen Biotops West-Berlin. Die Berliner Lesben- und Schwulenbewegung stand vor neuen Fragen und Auseinandersetzungen. Aber das ist ein anderes Thema für einen anderen Film.
Bis heute wurde noch kein Opfer von Verurteilung unter § 175 in der Bundesrepublik rehabilitiert oder entschädigt.
1 Ins Strafgesetzbuch der DDR wurde der § 175 in der ursprünglichen Fassung aus der Weimarer Zeit aufgenommen, 1957 entschärft und 1968 durch den Paragraphen 151 ersetzt, der 1988 ersatzlos gestrichen wurde.
2 Zustellungen sind Verhaftungen nach Razzien: Verdächtige Personen wurden ins Polizeipräsidium (in Berlin lag das zuständige Polizeirevier bis Mitte der 60er Jahre in der Gothaer Straße in Berlin-Schöneberg) und dort erfasst. Handelte es sich um Minderjährige, wurden die Eltern verständigt, die ihre Söhne dort abholen mussten.
Klaus Schumann, geboren 1937 in Berlin-Schöneberg. Schneiderlehre. Lebte von 1957 bis 1961 in der
Schweiz. Es folgten Anstellungen bei bedeutenden
West-Berliner Modeschöpfern. 1975 Meisterprüfung und
Einrichtung eines eigenen Ateliers. Als im Oktober 1978
im Stern die Titelgeschichte „Wir sind schwul” erschien,
war Klaus Schumann einer der mehr als 600 schwulen
Männer in West-Berlin, die sich namentlich outeten. Bruch
mit der Familie. Seinen langjährigen Freund verlor er
durch Aids. Er arbeitet bis heute in seinem Atelier in Berlin-Wilmersdorf als Couturier für Damenmode.
Rosa von Praunheim, geboren 1942 im lettischen
Riga. Aufgewachsen in Teltow-Seehof und später im
Stadtteil Praunheim von Frankfurt am Main. 1962 Umzug
nach West-Berlin. Der Vorname Rosa ist eine Reminiszenz
an den Rosa Winkel der KZ-Häftlinge. Sein Film „Nicht
der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in
der er lebt” gilt als Fanal für die Schwulenbewegung der
70er Jahre. Gab der deutschen Aids-Bewegung mit seinen
Aids-Filmen Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre
wichtige Impulse.
René Koch, geboren 1945 in Heidelberg. Kam mit 18
Jahren nach Berlin und jobbte zunächst als Tellerwäscher,
Barkeeper, Travestiekünstler und Mitinhaber eines Lebensmittelgeschäfts. Ab 1969 Ausbildung zum Visagisten. Ab
1971 Chefvisagist von Charles of the Ritz in New York.
Rückkehr nach Berlin 1990. René Koch wurde zu einem
der gefragtesten Visagisten Berlins, engagierte sich in der
Berliner Aids-Hilfe und gründete 1996 den Arbeitskreis
Camouflage, der Menschen mit Hautanomalien hilft. In
seiner Wohnung in Berlin-Wilmersdorf betreibt er ein
Lippenstift-Museum. 2016 Veröffentlichung seiner Lebenserinnerungen „Abgeschminkt”. Er ist seit Jahrzehnten eng
mit dem Coiffeur Udo Walz befreundet.
Wolfgang Theis, geboren 1948 in Gärtringen,
am Rand der Schwäbischen Alb. Lehre als Koch. Dann
Wehrdienst bei der Bundesmarine. Lebt seit Ende der 60er
Jahre in Berlin, viele Jahre davon in einer WG. Mitgründer
der HAW. Beruflich etablierte er sich als Filmkritiker. 1984
war er einer der Organisatoren der Ausstellung „Eldorado
– Geschichte, Alltag und Kultur homosexueller Frauen und
Männer in Berlin 1850–1950” im Berliner Stadtmuseum.
1985 gründete er mit anderen Enthusiasten den „Verein
der Freunde eines Schwulen Museums in Berlin e.V.”. Für
sein Engagement für das Schwule Museum* erhielt er
2011 das Bundesverdienstkreuz. Dem Schwulen Museum*
ist er bis heute als Kurator Dutzender Ausstellungen treu
geblieben.
Wilfried Laule, geboren 1945 in Eigeltingen bei
Konstanz am Bodensee. Studium der Kunst in Stuttgart und
Berlin, wohin er 1970 übersiedelte. Gründungsmitglied
der HAW, deren Aktionen er mit seiner Super-8-Kamera
filmte. Unterrichtete Kunst an Berliner Schulen. Außerdem
Betätigung als Maler und Fotograf. Veröffentlichungen
in zahlreichen Zeitschriften, Büchern und Broschüren.
Ausstellungen, unter anderem zwei Einzelausstellungen im
Schwulen Museum.
Salomé, geboren 1954 in Karlsruhe. Kam 1973 nach
Berlin. Studium an der Universität der Künste. Er gehörte
zur Tuntenfraktion der HAW. Künstlerisch wurde er
zu den Neuen Wilden gezählt, jungen Maler_innen
aus Deutschland und Österreich. Der internationale
Durchbruch gelang ihm 1982 mit seiner Teilnahme an der
documenta 7 in Kassel. Ab 1983 lebte er als Maler und
Performancekünstler überwiegend in New York. 1998
Rückkehr nach Berlin-Kreuzberg.
Egmont Fassbinder, geboren 1945 in Kippenheim.
Lebt seit 1965 in Berlin, wo er sein Abitur machte, um
nicht zur Bundeswehr zu müssen. Studium der Sozialwissenschaft in Heidelberg und an der Freien Universität
Berlin. Als Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) engagierte er sich im Studentenparlament.
Mitgründer und aktives Mitglied der HAW. Von 1978
an leitete er den 1975 gegründeten Verlag rosa Winkel,
in dem Sachbücher und Belletristik mit homosexuellen
Bezügen erschienen.
Gerhard Hoffmann, geboren 1946. Studierte Politologie in München und kam mit seinem Freund Reinhard
von der Marwitz 1973 nach Berlin, wo beide ihr Studium
an der Freien Universität fortsetzten. Sie engagierten
sich in der HAW, gründeten mit anderen Mitstreitern die
Zeitschrift „Die Schwuchtel” (1975), das Café Anderes
Ufer (1977) und den Albino Verlag (1981). 2016 erhielt
Gerhard Hoffmann für sein langjähriges Engagement in
der homosexuellen Emanzipationsbewegung das Bundesverdienstkreuz.
Peter Hedenström, geboren 1948 in Lübeck. Dort Abitur, dann Studium der Germanistik, zunächst in Göttingen
und ab 1969 in Berlin. Gehörte zu den Mitgründern der
HAW, des Verlags rosa Winkel (1975) und des Schwulen
Buchladens Prinz Eisenherz (1978), wo er bis 2003 arbeitete. Mitte der 80er Jahre war der Prinz Eisenherz eines
der wichtigsten Berliner Zentren zur Aufklärung über Aids.
Romy Haag, geboren in den Niederlanden. Kam über
Paris und New York nach Berlin, wo sie 1974 den Nachtclub Chez Romy Haag eröffnete und als Travestie-Künstlerin auch auf der Bühne stand. Das Lokal war bis zu seiner
Schließung 1983 sehr populär. Sie trat in Kinofilmen auf,
hatte eine eigene Fernsehsendung und veröffentlichte als
Sängerin zahlreiche Alben. Bis heute gilt sie als eine der
vielseitigsten queeren Künstlerinnen Deutschlands. Seit
Ende der 80er Jahre engagiert sie sich zudem als Mitglied
des Kuratoriums bei der Berliner Aids-Hilfe.
Bob Schneider, lebte mit seinen Eltern ab Ende der
70er Jahre im gleichen Haus wie Zabel. Kennengelernt
haben sie sich im Nachtbus auf der Heimfahrt von
der Diskothek Dschungel am Adenauerplatz. Seitdem
arbeiten sie zusammen. Auch Bob Schneider jobbte als
Filmvorführer im Moviemento. In den 90ern studierte er
an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg Schnitt.
Als Reiseleiterin Jutta begleitet er Touristen im Comedybus und auf dem Comedyboot durch Berlin und kreiert
eigene Bühnenprogramme.
Wolfgang Müller, geboren 1957 in Wolfsburg, wo
er sein Coming-out erlebte und als Teenager die erste
Schwulengruppe der Stadt gründete. 1979 Teilnahme am
ersten Westberliner CSD. Von 1980 bis 1985 Studium
an der Berliner Hochschule der Künste. 1980 gründete er
zusammen mit Nikolaus Utermöhlen die experimentelle
Band „Die Tödliche Doris” (bis 1987) und veröffentlichte
1982 im Merve-Verlag das Buch „Geniale Dilletanten”,
das zum Manifest der seinerzeit jungen Berliner Kunst-
und Musikszene wurde. Seit 1990 pendelt er zwischen
Reykjavík und Berlin.
Ades Zabel, geboren 1963 in Berlin-Haselhorst. Kindheit und Jugend in der Paul-Hertz-Siedlung im Norden
von Charlottenburg. Ausbildung zum Fachverkäufer
für Herrenkonfektion im KaDeWe. Begeisterte sich früh
für Super-8-Filme. Gemeinsam mit Freunden drehte er
Anfang der 80er Jahre „Edith Schröder. Eine deutsche
Hausfrau”, der zum Kultfilm wurde. Seinen Unterhalt
verdiente er sich als Filmvorführer im Kreuzberger Kino
Moviemento. Zwischen 1987 und 1992 entstand die
Kino-Trilogie „Drei Drachen vom Grill”, eine Parodie
auf die TV-Serie „Drei Damen vom Grill”. Ades Zabel
und Bob Schneider treten bis heute
gemeinsam auf.
DJ Westbam, geboren 1965 in Münster. Als Jugendlicher begeisterte er sich für Punkmusik. Lebt seit 1983
in Berlin. Karriere als DJ im Metropol. 1984 veröffentlichte er den Text „Was ist Record-Art”, in dem er den
DJ als Musiker beschreibt, der mit Platten neue Stücke
komponiert. Westbam gehört auch als Produzent zu
den Pionieren der Techno-Musik. Sein Name leitet sich
ab von Westfalia Bambaataa, eine Anspielung auf den
berühmten New Yorker Hip-Hop-DJ Afrika Bambaataa.
Wieland Speck, geboren 1951 in Freiburg im
Breisgau. Seit 1972 in Berlin, wo er zunächst Germanistik, Theaterwissenschaft und Ethnologie an der
Freien Universität studierte. Lebte seit jener Zeit in einer
Männerkommune, aus der er erst im Jahr 2016 auszog.
Erste Video-Arbeiten in den 70er Jahren. 1985 drehte er
für das ZDF „Westler” (eine schwule Ost-West-Liebesgeschichte). Gemeinsam mit Manfred Salzgeber gründete
er 1987 den lesbisch-schwulen Filmpreis Teddy Award,
der seitdem alljährlich während der Berlinale vergeben
wird. Seit 1992 ist er Programmleiter der Panorama-Sektion der Berliner Filmfestspiele.
Dirk Ludigs, geboren 1965, aufgewachsen im
Saarland, gründete bereits 1983 eine lesbisch-schwule
Jugendgruppe in seiner Heimatstadt. Nach dem Abitur
kam er nach Berlin. 1985 und 1986 entwickelte er
eigene Performance-Programme im SchwuZ. Ab 1987
Arbeit beim alternativen Radiosender 100 – der Auftakt
seiner Karriere als freischaffender Journalist. Lebt derzeit
in den USA.
Wolfgang Winkler, geboren 1936 in Berlin-Mahlsdorf. War Ende der 50er Jahre mit einem West-Berliner
liiert. Der Bau der Mauer beendete ihre Beziehung.
Winkler studierte an der Humboldt-Universität zu Berlin
Wirtschaft und Bibliothekswissenschaft. Von 1966 bis
1991 leitete er die Theaterwissenschaftliche Fachbibliothek beim Künstlerklub Möwe, die er selbst mit aufgebaut
hatte.
Patsy L' amour La Love, bezeichnet sich selbst als
Berufstunte. Studium an der Humboldt-Universität zu
Berlin. Dissertation zur Schwulenbewegung der 70er
Jahre. Die Akteure jenes Jahrzehnts bezeichnet sie als
„meine Mütter und Schwestern”. Patsy organisiert wissenschaftliche und kulturelle Veranstaltungen – wie die
Party „Polymorphia” im SchwuZ – und engagiert sich im
Kuratorium des Schwulen Museums*. 2016 erschien im
Querverlag ihr Buch „Selbsthass & Emanzipation”.
Detlef Mücke, geboren 1944. Aufgewachsen in Hannover, Studium in Göttingen, lebt seit 1971 als Lehrer in Berlin. Mitgründer der Lehrergruppe in der HAW. Engagement gegen Berufsverbote für schwule Lehrer und für die Entdiskriminierung Homosexueller in den Rahmenlehrplänen der Schulen. 1978 Coming-out gegenüber den Schülern an seiner Schule. Er war einer der Initiatoren der AG homosexueller Lehrer und Erzieher in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
Jochen Hick, geboren am 2. April 1960 in Darmstadt, wuchs im Taunus, in München und Stuttgart auf. Er studierte von 1981 bis 1987 Film an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg (u.a. bei Helke Sander) und in Bologna. Seit seinem Abschluss arbeitet er als Regisseur, Autor, Journalist und Produzent für Kino und Fernsehen, wobei er sich auf sozio- kulturelle, insbesondere LGBT-Themen spezialisiert hat. 1994 gründete er seine eigene Produktionsfirma Galeria Alaska Productions, mit der er seitdem neben der Realisation eigener Stoffe auch zahlreiche Reportagen und Dokumentationen für ARD, ZDF/ARTE, 3sat und Spiegel-TV produzierte. Von 2007 bis 2010 war Jochen Hick zudem stellvertretender Programmdirektor und Chefredakteur bei TIMM, dem ersten TV-Sender für schwule Männer im deutschsprachigen Raum. Hicks Filme wurden auf über 300 internationalen Festivals gezeigt und vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Förderpreis der Deutschen Filmkritik (1987) und den Teddy-Award für den besten Dokumentarfilm (2003).
Filmografie
1984 | Mond über Pittsburg (Kurzfilm) | |
1987 | Gerd Hansen, 55 (Kurzfilm) | |
1990 | Via Appia (Spielfilm) | |
1991 | Teufel im Paradies (Dokumentarfilm) | |
1992 | Willkommen im Dom (Kurzdokumentarfilm) | |
1995 | Menmaniacs – The Legacy of Leather (Dokumentarfilm) | |
1998 | Sex/Life in L.A. (Dokumentarfilm) | |
2000 | No One Sleeps (Spielfilm) | |
2003 | Ich kenn keinen – Allein unter Heteros (Dokumentarfilm) | |
2005 | Cycles of Porn – Sex/Life in L.A. 2 (Dokumentarfilm) | |
2005 | Am Ende des Regenbogens (TV-Dokumentation) | |
2006 | Hallelujah! (Kurzfilm) | |
2007 | Deutschland – Ein Herbstmärchen (Kurzfilm) | |
2008 | East/West – Sex & Politics (Dokumentarfilm) | |
2009 | The Good American (Dokumentarfilm) | |
2013 | Out in Ost-Berlin – Lesben und Schwule in der DDR (Dokumentarfilm) | |
2016 | Der Ost-Komplex (Dokumentarfilm) | |
2017 | Mein wunderbares West-Berlin (Dokumentarfilm) |
ein Film von Jochen Hick
D 2017, 95 Minuten
67. Internationale Filmfestspiele Berlin
(Panorama Dokumente)
Buch, Regie & Produktion | Jochen Hick |
Schnitt & Color Grading | Thomas Keller |
Kamera | Alexander Gheorghiu Jochen Hick |
Historische Beratung | Karl-Heinz Steinle |
Assistenz | Andreas Strohfeldt Jörg Polzer Mischa Pfisterer Daniel Sander |
Archivrecherche | Peter Kolano Andreas Strohfeldt Karl-Heinz Steinle |
Kameraassistenz | Klaus Purkart Gilles Lasnet Bernard Homann |
Ton & Sound-Design | Jörg Theil André Zacher |
Tonmischung | Michael Kaczmarek |
Mischatelier | K13 Kinomischung |
Beratung | Christoph Weber |
Produktionsleitung | Hermann Hick Ursula Scheid |
Herstellungsleitung rbb | Rainer Baumert |
Redaktion | Rolf Bergmann |
Mit | Egmont Fassbinder |
Romy Haag
Peter Hedenström
Gerhard Hoffmann
René Koch
Patsy l'Amour laLove
Wilfried Laule
Dirk Ludigs
Detlef Mücke
Wolfgang Müller
Aron Neubert
Rosa von Praunheim
Salomé
Bob Schneider
Klaus Schumann
Wieland Speck
Wolfgang Theis
Udo Walz
Westbam
Wolfgang Winkler
Ades Zabel
eine Produktion von Galeria Alaska Productions
koproduziert von Rundfunk Berlin-Brandenburg
Gefördert von | Medienboard Berlin-Brandenburg Deutscher Filmförderfonds MFG Filmförderung Baden-Württemberg Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein |
im Verleih der Edition Salzgeber
Fotos: Ludigs, Laule, Wachholz/Fischer, Hedenström
Verleih
Salzgeber & Co. Medien GmbH
Prinzessinnenstraße 29
10969 Berlin
Tel. ++49-(0)30-285 290 90
Fax. ++49-(0)30-285 290 99
E-Mail: info@salzgeber.de
Web: www.salzgeber.de
Geschäftsführer:
Björn Koll
Amtsgericht Charlottenburg
HRB 52 317
USt-ID gemäß §27a
Umsatzsteuergesetz
DE 167 065 308
Inhaltlich Verantwortlicher
gemäß § 6 MDStV: Björn Koll
Pressebetreuung:
Christian Weber
Tel. ++49-(0)30-285 290 70
presse@salzgeber.de |
Pressematerial
Realisation Website:
Thorsten Wißmann-Prinz
für Edition Salzgeber
Ansprechpartner für Fragen zum Jugendschutz:
Daniel Blosat
Salzgeber & Co. Medien GmbH
Prinzessinnenstraße 29
10969 Berlin
Tel.: 030 / 285 290 90
blosat@salzgeber.de
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