Joyce DiDonato ist eine der gefeiertsten und vielseitigsten Sängerinnen unserer Zeit. Sie ist der Star der Metropolitan Opera in New York und gastiert an allen bedeutenden Opernhäusern der Welt, darunter an der Mailänder Scala, am Royal Opera House Covent Garden London, an der Deutschen Oper Berlin und an der Wiener Staatsoper. Viele ihrer internationalen Auftritte werden weltweit live in Kinos übertragen. Für ihre Schallplatteneinspielungen gewann sie mehrere Grammys und Echos.
Joyce DiDonato stammt aus Kansas City, USBundesstaat Kansas. Nach dem Gesangsstudium an der Wichita State University und der Academy of Vocal Arts in Philadelphia folgte 1995 ihr erstes Engagement an der Santa Fe Opera. In der Spielzeit 2000/01 gab sie ihr Debüt an der Mailänder Scala in Gioacchino Rossinis Oper ”La Cenerentola“. Seitdem gehört sie zu den Top-Solisten der internationalen Opernszene.
Auf der Bühne verkörpert Joyce DiDonato äußerst verschiedene Rollen, geht dabei oft in die Extreme und überschreitet Fach- und Geschlechtergrenzen: Ob als heißblütiger Romeo, eleganter Rosenkavalier oder sinnenfreudiger Cherubino, ob als Magierin Alcina, Werthers Charlotte oder Maria Stuart - Joyce DiDonato kennt sich in Männerrollen ebenso aus wie in der Darstellung großer Frauenfiguren. Dabei umfasst ihr Repertoire Partien des Mezzosopran- und Sopranfachs. Ihre stilistische Bandbreite reicht von barocker Bravur bis Jazz.
Als Grenzgängerin der Opernwelt triumphierte sie in Jake Heggies Oper ”Dead Man Walking“ in der Rolle der Sister Helen. An der New Yorker Met verblüffte sie das Publikum mit ihrer Wandlungsfähigkeit und erschien als greisenhafte Zauberin Sycorax in dem Opern-Pasticcio ”The Enchanted Island“.
Das Medium Film ist Joyce DiDonato nicht fremd: Mit Regisseur Ralf Pleger arbeitete sie bereits mehrmals zusammen. In der Fernsehproduktion ”Händel - Der Film“ spielte und sang sie als Barock-Diva Francesca Cuzzoni. Für Plegers TV-Dokumentation ”Drama Queens“ begab sie sich auf eine Reise um die halbe Welt und diskutierte mit hochkarätigen Künstlerpersönlichkeiten wie der Fashion-Legende Vivienne Westwood über alles, was große Diven bewegt. Mit der Titelrolle in DIE FLORENCE FOSTER JENKINS STORY gibt die facettenreiche Virtuosin ihr Leinwanddebüt.
Wie erklären Sie sich das Phänomen ”Florence Foster Jenkins“?
Es kommt nicht oft vor, dass man jemandem begegnet, der wirklich furchtlos auftritt. Geschieht es doch, so ist es unmöglich, den Blick abzuwenden. Die meisten von uns würden vor Scham im Boden versinken, wenn sie wüssten, dass andere über sie lachen. Florence ging von solchen Reaktionen unbekümmert ihren Weg, um ihre eigenen Sehnsüchte zu erfüllen. Sie lebte ganz nach ihren eigenen Regeln. Über diese unerhörte Freiheit können wir heute nur ungläubig den Kopf schütteln - oder uns von ihr inspirieren lassen!
Wie beurteilen Sie das ambivalente Verhältnis, das Florence mit ihrem Publikum hatte?
Ich glaube, sie war dermaßen eingenommen von ihrer tief empfundenen Leidenschaft für das Singen und so überzeugt vom Wohlklang ihrer Stimme, ja von ihrem ganzen künstlerischen Vermögen, dass nichts ihr Selbstbild erschüttern konnte. Sie lebte in dieser Hinsicht in ihrer ganz eigenen Realität. Diese Unabhängigkeit kann man einerseits als große Freiheit begreifen und bewundern. Anderseits hat dieser Verlust an Wirklichkeitssinn aber natürlich auch etwas Tragisches. Ich sehe ihre Geschichte von zwei Seiten. Am Ende bricht mir ihre Biografie aber das Herz. In der Öffentlichkeit wurde sie vor allem als Lachnummer missbraucht. Nur die wenigsten haben sich bisher Gedanken darüber gemacht, was wirklich hinter ihren Auftritten gesteckt haben mag. Es wäre wunderbar, wenn unser Film den Blick auf ihre Person etwas differenzieren könnte.
Zu ”singen“ wie Florence - das muss im krassen Widerspruch
zu Ihrem eigenen künstlerischen Handwerk
stehen.
Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Es war tatsächlich eine enorme Herausforderung, denn ich musste gegen all meine natürlichen Instinkte und antrainierten Reflexe als Sängerin ankämpfen. Aber als ich erst einmal eine musikalische Sprache gefunden hatte, die sich so anfühlte, als könnte sie jene von Florence sein, war ich plötzlich wie befreit: Ich konnte das Ideal der Perfektion, das in der klassischen Musik so unnachgiebig gefordert wird, fallenlassen und den reinen Ausdruck aus mir herausströmen lassen. Ich hoffe, dass ich mir Facetten dieser Befreiung auch für meinen eigenen ”normalen“ Gesang bewahren kann. Ein Hoch auf Florence und die Freiheit des Ausdrucks!
”Wenn wir mitten im Chaos stehen -
wie können wir Frieden finden?“
Joyce DiDonato stellt diese Frage im
Kommentar zu ihrem neuen Album -
und beantwortet sie mit barocken Arien
von Monteverdi bis Händel.
Mit ”In War and Peace“ zeigt sie die überraschende Nähe dieser Musik zu unserer Zeit und lüftet damit auch ein stückweit das Geheimnis des derzeitigen Barockbooms, den DiDonato selbst mit entfachte.
erscheint am 4. November 2016 bei Erato/Warner Classics.